Buchtipp: „Eine Frage der Chemie“ – Und wer sind die realen Chemikerinnen dieser Zeit?

„Kinder deckt den Tisch. Eure Mutter braucht einen Moment für sich.“ So schließt die Hauptfigur Elisabeth Zott jede Ihrer Kochsendungen in Bonnie Garmus‘ Roman „Eine Frage der Chemie.“ Sie nutzt die Kochsendungen, um chemische Prozesse zu erklären und das Kochen und das Leben der „Hausfrauen“ aufzuwerten. Zott ist ihrer Zeit weit voraus. Sie lebt in den 1960er Jahren in den USA und ist Chemikerin. Sie hat ein Studium erfolgreich absolviert, wurde dann aber, nachdem sie sexuellen Übergriffen ausgesetzt war, aus dem Promotionsprogramm ausgeschlossen. Sie arbeitet zunächst dennoch am Hastings Institut – und dies überaus erfolgreich. Nach tragischen Wendungen verlässt Zott das Hastings. Als unverheiratete, alleinerziehende Mutter schlägt sie sich durch, indem sie für ihre früheren Kollegen in ihrem selbst gebauten Küchenlabor deren Forschung überarbeitet. Dann kommt ihr großer Durchbruch – jedoch als Fernsehköchin und nicht als Chemikerin.

Aber „Eine Frage der Chemie“ erzählt nicht nur von Zotts Nöten. Es ist ebenso ein Roman über den Zusammenhalt unter Frauen, über den Mut, den eigenen Weg zu gehen. Und auch über die Liebe und den Wert von Familie und Freundschaft. Zudem erfindet Zott die Rolle der Fernsehköchin neu: sie erklärt ganz nebenbei chemische Zusammenhänge rund ums Kochen, sie wertet die Bedeutung von Nahrung für die ganze Familie auf und dabei vor allem die Position der kochenden Hausfrau, sie ermutigt die Nation in neuen, gleichberechtigteren Dimensionen zu denken.

Elke Heidenreich wird auf dem Buchcover zitiert: „Die muss es doch wirklich geben.“ Zott gab es nicht. Aber die Frage ist berechtigt: Wer sind denn die echten, die realen Chemikerinnen aus dieser Zeit? Und wer kennt ihre Geschichten und ihre Arbeit?

Die Gesellschaft Deutscher Chemiker stellte hierzu 2003 die Broschüre „Chemikerinnen – es gab und es gibt sie“ zusammen. Hier werden spannende Chemikerinnen und ihre Arbeit und ihr Leben vorgestellt. Auch auf der Webseite der Gesellschaft finden sich Porträts von Chemikerinnen. Marie Curie kennt vermutlich jede von uns. Aber kennen Sie auch Margarete von Wrangell – Agrikulturchemikerin und erste ordentliche Professorin an einer deutschen Hochschule? Oder Agnes Pockels, die als Hausfrau Experimente an Abwaschwasser durchführte und eine Versuchsapparatur zur Messung von Oberflächenspannung entwickelte? Oder Clara Immerwahr – die erste Promovierte an einer deutschen Hochschule in physikalischer Chemie?  Oder Erika Cremer – Pionierin der Gaschromatographie? Oder Edith Weyde – sie entwickelte schnelle Kopierverfahren und auch farbige Fotografie?

Es ist an der Zeit, die Geschichten dieser Wissenschaftlerinnen zu verbreiten. Wenn die erfundene Romanfigur der Elizabeth Zott dies anstoßen sollte, dann hätte der Roman noch viel mehr erreicht als nur eine gute Geschichte im Sinne der Gleichstellung zu erzählen.

Quellen (alle zuletzt abgerufen am 26.01.2023):

https://www1.wdr.de/kultur/buecher/garmus-eine-frage-der-chemie-102.html

https://www.deutschlandfunkkultur.de/bonnie-garmus-eine-frage-der-chemie-buchkritik-rezension-100.html

https://www.ndr.de/kultur/buch/tipps/Eine-Frage-der-Chemie-Ruehrender-Roman-ueber-eine-starke-Frau,garmus100.html

https://www.gdch.de/publikationen/biographien-von-chemikerinnen.html

https://www.globalcitizen.org/de/content/17-top-female-scientists-who-have-changed-the-worl/

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